The Red House - Eastgreenland - Ueber uns - Geschichte

Robert Peroni

Grönland ist ein ganz großes Südtirol

Extremsportler zu sein, ist heute nichts Außergewöhnliches mehr: Die größten Berge sind erklommen, die gefährlichsten Wüsten durchlaufen. Robert Peroni gehört zu einer Generation, die den Beruf „Extremsportler“ mit erfunden hat. Schon in den sechziger und siebziger Jahren versuchte sich der Klobensteiner an Unversuchtem. Mittlerweile lebt der 62-Jährige (Anm.: Stand 2006) in Grönland. Südtirol Online hat mit Robert Peroni über Schmerzgrenzen, Einsamkeit und über die Faszination Grönland gesprochen.

Interview mit Robert Peroni - 2006

Südtirol Online: Was haben Sie in der Schule auf die Frage‚
Was willst du werden? geantwortet? Abenteurer?

Robert Peroni: Nein. Ich wollte immer entweder Arzt oder Pilot werden. Allerdings war das Bergsteigen für mich immer unheimlich wichtig. Was ich allerdings nie wollte, war, bereits begangene Wege zu gehen. Das ist mir nie gelegen. Deshalb hatte ich als Bergsteiger keinen großen Namen. Ich habe immer neue Wege gemacht, egal ob sie kurz oder wenig attraktiv waren: Es hat mich immer fasziniert, etwas Neues zu unternehmen. Der erste Schritt für mich dazu war Extrem-Skifahren. Ich bin z.B. am Himalaja mit den Ski von einem 7000 Meter hohen Berg gefahren. Ich wollte dann immer mehr und bin dann allmählich von meinem Ziel, Pilot oder Arzt zu werden, abgekommen, obwohl ich bereits das Medizinstudium begonnen hatte. Irgendwann war ich dann professioneller Bergsteiger, der Sponsoren hatte und sein Geld mit Expeditionen verdient hat. So bin ich in den sechziger und siebziger Jahren durch die Welt gezogen.

STOL: War das damals nicht sehr ungewöhnlich?

Peroni: Ja. Früher war Extrembergsteigen auch anders definiert. Das Extreme war der neue Weg, die neue Route zu machen, also in neue Gebiete vorzustoßen. Mich hat das Zusammenspiel, Mensch, Natur und Kultur fasziniert. Das war damals abenteuerlich und außergewöhnlich. Damals musste man den Begriff Extrembergsteigen erst definieren. Heute begeht man eine Wand, die den Schwierigkeitsgrad 11 hat. Das kannte man damals noch nicht. Und: Früher bin ich nicht irgendwohin geflogen, sondern ich habe einen LKW gemietet oder gekauft und bin dann über Persien und Afghanistan zu den Weltbergen gefahren.

STOL: Klingt abenteuerlich.

Peroni: Stimmt. Ich war in dieser Zeit ja auch in Wüsten in Saudi Arabien, in Persien, in Afghanistan und mehrere Male in der Sahara.

STOL: Was haben Sie in Afghanistan gemacht?

Peroni: Ich bin 400 Kilometer alleine durch die Wüste gewandert. Dabei habe ich weder fotografiert, noch gefilmt und ich hatte natürlich kein Satellitennavigationssystem. Bei Bergexpeditionen habe ich mein Gepäck auch immer selbst getragen. Das ist für mich eine richtige Expedition.

STOL: Viele Extremsportler sagen, sie wollen durch solche Erfahrungen persönliche Grenzen ausloten. Warum haben Sie all diese Erfahrungen gesucht?

Peroni: Meine Grenzen auszuloten, das hat mich nie interessiert. Ich wollte in einer gewissen Situation einen Gordischen Knoten lösen. Es war für mich faszinierend, auf mich alleine gestellt zu sein und dann den inneren Erfolg zu genießen.

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Grenzerfahrungen am Berg,
in der Wüste, im Eis

STOL: Hat es nie eine lebensbedrohende Situation gegeben, in der Sie mit dem Leben abgeschlossen hatten?

Peroni: Öfters. Ich war z.B. mit Bartl Waldner bei einer Grönland-Durchquerung im Winter, was bis dahin noch niemand versucht hatte. Obwohl wir uns jahrelang vorbereitet hatten, hat Bartl Waldner schwere Erfrierungen an den Füßen erlitten. Deshalb sind wir umgekehrt, aber wir haben gedacht: Das ist der Todespunkt. Es gab weder links, noch rechts, sondern nur mehr sterben. Letztendlich haben wir es aber doch geschafft, ohne fremde Hilfe die Expedition zu überleben.

STOL: Extreme Hitze und extreme Kälte sind grundverschiedene Erfahrungen, Sie haben beides erlebt. Können Sie das beschreiben?

Peroni: Ab einem gewissen Punkt ist es eigenartigerweise für den Körper das Selbe. Die Niederschlagsmenge in der Sahara ist gleich wie in Grönland. Medizinisch gesehen gibt es für den Körper Wärmepunkte: Wenn ich z.B. meine Fingerspitze in eiskaltes Wasser tauche, kann ich im ersten Moment nicht unterscheiden, ob es eiskalt oder blitzheiß ist. Die Leidensfähigkeit eines Menschen geht direkt ins Großhirn, ins zentrale Nervensystem über. Dort ist nur mehr das Leiden gespeichert. Ab einem gewissen extremen Punkt ist die große Kälte also gleich reduzierend wie große Wärme. Der Mensch wird träge, er verliert gewisse Sinne, hat Schwierigkeiten, sich zu bewegen und Atemprobleme. Die Probleme, die man in der Wüste und in der Arktis hat, ähneln sich also.

STOL: Welche Sinne verliert man dabei?

Peroni: Man verliert die Erinnerungen, den Hunger, den Überblick und wird träge. Man döst vor sich hin und hat nicht einmal mehr Schmerzen.

STOL: War Einsamkeit bei Expeditionen, die Sie alleine unternommen haben, nie ein Problem?

Peroni:
Wenn ich mit einer Person oder einer Gruppe unterwegs war, die ich geführt habe, hatte ich als Leiter immer die Sorge um die Verantwortung und auch ein Schuldgefühl den anderen gegenüber. Das hat mich immer wahnsinnig belastet. Wenn ich alleine unterwegs war, war es für mich einfacher.

STOL: Ein Journalist hat einmal vom „Eigenbrötler“ Robert Peroni geschrieben. Sind Sie das?

Peroni: Im Positiven sicher. Meiner Ansicht nach gibt es zwei Möglichkeiten zu denken. Wenn man alleine denkt, sagen die Leute sofort: Das ist ein Eigenbrötler. Die zweite Möglichkeit ist dann das Feedback mit der Gruppe. Mein Traum war es immer, eine Philosophenschule zu gründen. Dort tausche ich mich mit anderen aus und gehe dann wieder in mich selbst zurück. Wenn ich früher ein philosophisches Denkproblem hatte, dann war es für mich wichtig, mich in die Einsamkeit zurückzuziehen, wo ich den Alltag loslassen konnte. Dann bin ich natürlich ein Eigenbrötler, aber ich sehe das sehr positiv. Viele in unserer Gesellschaft sind zu wenig Eigenbrötler, weil das Wort so negativ behaftet ist. Wenn jemand in unserer Gesellschaft irgendein Problem hat, drückt er heute meist den roten Knopf und der Fernseher geht an, oder den schwarzen Knopf und dann kommt sehr sehr laute Musik und dann setzen wir uns auch noch den Kopfhörer auf. Andere trinken Alkohol. Das ist verrückt! Wenn mich Urlauber in Grönland besuchen, nehmen sie oft Bücher mit. Das ist zwar nicht schlecht, aber sie sollten einmal alles zurücklassen, um wenige Stunden oder Tage Eigenbrötler im positiven Sinne zu werden. Dann können sie wieder in den Alltag zurückkehren, denn dann kommen bessere und vor allem neue Gedanken für die Zukunft.

In den Augen der Menschen habe ich die große Armut und gleichzeitig die große Freude gesehen, das Melancholische und das unheimlich Harte.

Robert Peroni

Grönland war ein Wendepunkt

STOL: Grönland war ein Wendepunkt in Ihrer Karriere und in Ihrem Leben. Warum?

Peroni: Ich bin im Jahr 1980 durch Zufall mit einer Südtiroler Expedition nach Grönland gekommen und bin dort hängen geblieben. Fasziniert hat mich das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur, das ich in dieser extremen Form nur dort erlebt hatte. Ich habe auch sofort Freundschaften mit Grönländern geschlossen und Menschen gefunden, die ganz anders denken als ich, aber umso ähnlicher. Für mich war es äußerst interessant auf eine Gesellschaft zu stoßen, die völlig gegensätzlich zu unserer ist. Was bei uns positiv ist, ist in Grönland negativ und umgekehrt. In den Augen der Menschen habe ich die große Armut und gleichzeitig die große Freude gesehen, das Melancholische und das unheimlich Harte. Die Grönländer haben mich sehr an die Südtiroler Bergbauern erinnert.

STOL: Sind Sie nach der Expedition in Grönland geblieben?

Peroni: Nach der ersten Expedition war ich 1982 noch einmal dort, um dann 1983 die erste Durchquerung zu versuchen. Nach all diesen Reisen habe ich mir gedacht: Mit ganz einfachen Mitteln könnte den Grönländern geholfen werden, denn die dortige Kultur war in arger Not. Ich habe mir dann im Jahr 1986 in Tasiilaq, in Ost-Grönland, eine kleine Hütte gekauft, die sich extrem schnell zur Sozialstation entwickelt hat. Vielleicht habe ich als Südtiroler, als „Bergmensch“ ein Gefühl für die einfachen Leute, denn ich bin immer noch ein einfacher Mensch, ein Südtiroler in Grönland. Das hat mir sehr schöne Freundschaften eingebracht und mir gezeigt, wie man mit wenig, mit Menschlichkeit, mit Zeit umgehen kann, und den Grönländern hilft. Es war ein Geben und ein Nehmen.

STOL: Seit wann leben Sie in Grönland?

Peroni: Seit ca. 12 bis 13 Jahren. Genau kann ich das nicht sagen, da ich Schritt für Schritt immer länger und länger geblieben bin.

STOL: Sind Sie Grönländer?

Peroni: Ich bin und bleibe Südtiroler.

STOL: Sie haben von einer Sozialstation gesprochen. Welche Probleme gab oder gibt es?

Peroni: Vor ca. 100 Jahren ist der erste Europäer nach Ost-Grönland gekommen. Erst 1982 ist Ost- Grönland internationalisiert worden. D.h. der erste Tourist konnte ohne Genehmigung einreisen und erst nach diesem Datum hat sich dieses Gebiet der Welt geöffnet. Die Leute lebten bis dahin beinahe in der Steinzeit. Der wahnsinnig schnelle Wechsel hat sehr große soziale Probleme mit sich gebracht.

STOL: Sie sprechen von Steinzeit. Wie haben die Grönländer gelebt, gewohnt, sich gekleidet und ernährt?

Peroni: Vor 60 Jahren lebten die Ost-Grönländer wirklich in der Steinzeit. 99 Prozent der Menschen dort lebten von der Jagd auf Seehunde und Eisbären. Sie wohnten in Erdhütten, haben mit Speeren gejagt und mit Knochendolchen als Werkzeugen gearbeitet. Als Kleidung gab es die Felle der erlegten Seehunde und der Eisbären. Die Grönländer hatten keinen Kontakt zum Rest der Welt, sie glaubten, sie seien die einzigen Menschen auf dem Globus. Mein Nachbar in Grönland hatte in den ersten vier Jahren seines Lebens keine Textilien, keinen Reis, keine Kartoffeln. Nichts.

STOL: Gab es eine geschriebene Sprache?

Peroni: Die Ost-Grönländer haben natürlich eine eigene Sprache, aber keine Schrift. Es gibt keine niedergeschriebenen Dokumente, alle Geschichten und Erzählungen aus alter Zeit wurden mündlich weitergegeben. Erst jetzt beginnen die Ost-Grönländer zu schreiben, es gibt aber keine einheitliche Schriftsprache. Ich versuche deshalb gerade, ein Wörterbuch zu schreiben.

STOL: Wie lange haben Sie gebraucht, um Ost-Grönländisch zu lernen?

Peroni: Das war sehr schwierig und ich spreche die Sprache immer noch nicht sehr gut. Ich lerne heute noch.

STOL: Lernen Kinder Grönländisch in der Schule?

Peroni: Es gibt eine Grundschulpflicht. Gelehrt wird jedoch West-Grönländisch oder Dänisch. Die Ost-Grönländische Muttersprache geht verloren. Daran versuchen wir zu arbeiten. Vor zwei Jahren hat es Gespräche mit dem Südtiroler Kulturinstitut gegeben.

STOL: Gibt es ein Grönländisches Nationalgericht?

Peroni: Ja, das ist ein in Salzwasser gekochter Seehund.

STOL: Gibt es Seehund zum Frühstück?

Peroni: Die Grönländer frühstücken nicht, sie essen, wenn sie Hunger verspüren und dann oft ein bis zwei Kilo Fleisch auf ein Mal.

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Anfänge des Roten Hauses

STOL: Zurück zu Ihrem Haus: Was ist dort passiert?

Peroni: Ganz einfach: Wer ein Problem hatte, egal ob mit seinem Boot, oder mit der Familie, konnte zu mir kommen, wo ich ihn für einige Tage aufgenommen habe. Mit der Zeit kamen immer häufiger junge Grönländer, die meist Probleme mit dem Alkohol und Suizidgedanken hatten. Aus  dem Haus ist ein kleines Hotel mit 20 Betten geworden, da mittlerweile Touristen nach Grönland kommen. Dadurch kann ich einigen dieser Menschen Arbeit geben und sie resozialisieren. Viele Grönländer müssen lernen, „trocken“ zu werden. Sie können nach der Zeit im Hotel mit einem Startgeld in ihr Dorf zurückkehren.

STOL: Die Grönländer wurden also von den technisch überlegenen Einwanderern überrollt?

Peroni: Das kann man so sagen, ja. Die Dänen, die Grönland sei 1733 als Kolonie hatten, haben zwar sehr viel Gutes getan, doch mit der Entfernung waren sie auch überfordert. Für die Einwanderer war es undenkbar, so zu leben, wie die Grönländer. Also wollten die Dänen ihnen ein höheres Einkommen bieten. Dadurch ist natürlich etwas anderes kaputt gegangen, obwohl die Dänen Gutes tun wollten.

STOL: Wie wurden die Ausländer eigentlich nach 1982 aufgenommen?

Peroni: Die ersten Besucher in Ost-Grönland waren ca. zwölf Touristen und wurden aufgenommen wie richtige Freunde.

STOL: Gab es damals Strom?

Peroni: In der größten Stadt von Ost-Grönland, in Tasiilaq schon, in den Dörfern nicht. Früher wurde die elektrische Energie mit Diesel produziert, seit dem Herbst 2005 gibt es auch ein kleines Wasserkraftwerk.

STOL: Waren Alkohol und Suizid seit jeher Probleme der Grönländischen Gesellschaft?

Peroni: Alkohol hat der weiße Mann eingeführt. Was das Suizid-Problem betrifft: Ein Grönländer, der nicht mehr zum Einkommen der Familie beitragen konnte, weil er krank, zu schwach, oder zu alt war, musste sich umbringen. D.h. er stürzte sich ins kalte Wasser oder er ließ sich im Schnee erfrieren. Heute ist es ähnlich. Wer nicht zum Wohle der Familie beitragen kann, fühlt sich als Mensch minderwertig. Die Suizidrate ist immer noch sehr hoch.

STOL: Gab es nicht genügend Tiere, um die Grönländer zu ernähren?

Peroni: Es war früher schwer, Tiere zu jagen und es ist heute noch so. In jedem der langen Grönländer Winter sind durchschnittlich zwischen einem und drei Prozent der Ost-Grönländer verhungert. Die Kunst in Grönland war nicht, Tempel zu bauen oder große Bücher zu schreiben, sondern zu überleben.

STOL: Wovon leben die Grönländer heute?

Peroni: In Ost-Grönland sind die Robben und die Eisbären nach wie vor die Haupt- Einnahmequelle. Das Fleisch bleibt im Land, die Felle werden ins Ausland verkauft. Davon abgesehen gibt es keine andere Produktion. Im Südwesten gibt es eine hochentwickelte Fischerei; dort werden Gewässer an die EU vermietet und so kommt viel Geld nach Grönland. Im Süden lebt es sich natürlich besser, als im armen Osten.

STOL: Hat sich der Lebensstandard der Grönländer in den vergangenen 25 Jahren verbessert?

Peroni: Ob er sich verbessert hat, lasse ich dahingestellt. Ich würde sagen, er hat sich sehr verändert.

STOL: Thema Alkohol: Darf er frei verkauft werden?

Peroni: Alkohol kann kaufen, wer älter als 18 Jahre ist. Aber jeder, auch ein Minderjähriger, kann sich Alkohol besorgen. Es wird auch Alkohol zuhause hergestellt.

STOL: Welche Auswirkungen auf die Gesellschaft gibt es durch den exzessiven Alkoholkonsum?

Peroni: Alkohol war den Grönländern unbekannt, bis er importiert wurde. Wenn sie bedenken, dass Alkohol in Europa nach hunderten von Jahren immer noch ein Problem ist, können Sie sich vorstellen, wie sehr Grönland darunter leidet. Alkohol ist ja in allen Ländern der Welt ein Problem und in Grönland noch mehr. Es ist weltweit die Droge Nummer 1.

STOL: Warum ist Alkohol in Grönland ein besonders großes Problem?

Peroni: Es gibt keine Trinkkultur. Bis vor 30 Jahren gab es nur Wasser. Zudem müssen die Grönländer mit dem internationalen Wandel zurechtkommen. Ihre Identität als Jagdkultur ist in Frage gestellt. Sie wissen, dass die Jagd auf Robben und Eisbären allmählich verschwindet, weil das international geächtet wird. Wenn ich heute bei einem Vortrag davon erzähle, dass die Grönländer Robben und Eisbären töten, um zu überleben, pfeifen mich die Leute aus. In Ost- Grönland werden in einem Jahr vier Wale getötet, wogegen Greenpeace, WWF und viele andere Organisationen und Staaten protestieren. Die Europäer möchten den Grönländern vorschreiben, wie sie zu leben haben.

STOL: Wie sieht es eigentlich mit den Jahreszeiten in Grönland aus?

Peroni: Es gibt alle vier Jahrezeiten, allerdings ist der Winter natürlich viel länger und der Sommer kurz. Die Temperaturen im Winter, der von Mitte Oktober bis Ende Mai dauert, sinken bis auf maximal minus 30 Grad. Der Frühling dauert ca. drei Wochen, und dann kommt der Sommer, der bis Mitte September dauert. In dieser Zeit ist es sehr warm. Bei Temperaturen von bis zu 20 Grad kann man schwimmen und die Landschaft ist fantastisch. Wunderschön.

STOL: Wann sollte ein Tourist das Land bereisen?

Peroni: Das hängt davon ab, was er machen will. Ein guter Ski-Fahrer kann zwischen Mitte Februar und Mitte Mai kommen. Wer nur Sommer will, also Trekking und Wandern, sollte zwischen Anfang Juni und Mitte September Grönland besuchen. Wer das dunkle Grönland mit Polarlicht sucht, soll Ende Dezember kommen.

STOL: Man kann in Grönland viel unternehmen?

Peroni: Absolut ja. Angeboten werden Ski-Touren und extreme Expeditionen, Ausfahrten mit dem Hundeschlitten, Schneeschuh-Wandern, Ausflüge mit dem Boot oder man kann auf das Pack-Eis auf dem offenen Meer gehen.

STOL: Wie lange dauert eine Grönland-Durchquerung?

Peroni: Bei einer Durchquerung legt man 550 bis 600 Kilometer zurück. Jeder bekommt einen ca. 60 kg schweren Schlitten, den er selbst zieht. Damit ist man bis zu 30 Tage unterwegs. Gestartet wird auf Meereshöhe und während der Tour erreicht man bis zu 2200 Höhenmeter. Dabei geht es weniger um das geographische, sondern mehr um die Denkarbeit und um die Freundschaft.

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Tourismus in Grönland, der Rücksicht auf Land und Leute nimmt

STOL: Was fasziniert Sie an der Landschaft in Grönland?

Peroni: Grönland ist ein ganz großes Südtirol. Es gibt riesige Berge, steile Felsen, extreme Wände, riesige Gletscher und zusätzlich ein wunderbares Meer, das manchmal dunkelblau aber manchmal auch hellgrün ist. Darauf schwimmen, in allen Farben, die Eisberge. Wenn ich in Grönland eine Ski-Tour mache, ist das fast gleich schön wie in Südtirol. Wenn ich dann auf einem Gipfel stehe, sehe ich den Berg und die Berglandschaft, aber auch das Meer, die Eisschollen vom Nordpol und Eisberge. Das muss man gesehen haben.

STOL: Skifahren in Grönland bedeutet, dass man einen Berg zu Fuß besteigt?

Peroni: Ja. Wer nach Grönland zum Ski-Fahren kommt, muss natürlich Skilifte vergessen. Wenn man eine Ski-Tour macht, fährt man z.B. mit dem Hundeschlitten fünf Stunden lang über das Eis und das Meer in ein Tal bis zu einem Berg, den man dann besteigt. Mit den Ski fährt man dann hinunter und mit dem Hundeschlitten zurück.

STOL: Sie organisieren für Touristen Grönland-Reisen und haben 2002 dafür einen Preis gewonnen. Wofür?

Peroni: Ich versuche einen Tourismus anzubieten, der Rücksicht auf Land und Leute nimmt. Ich beziehe die Menschen, Grönländer und Gäste, in alle meine Angebote mit ein. Das Geld, das erwirtschaftet wird, bleibt in Grönland, derzeit im sozialen Bereich. D.h. ich beschäftige Alkholgefährdete. Für den Touristen bedeutet das, dass er nicht in einem großen Hotel herumsitzt, sondern er ist mitten in Grönland und unter den Grönländern.

STOL: Wieviele Touristen besuchen Grönland im Jahr?

Peroni: Ich kenne nur Zahlen von Ost-Grönland, wo es auch Tagestourismus aus Island gibt. Von dort kommen ca. 12.000 Touristen. Weitere 2500 bleiben mehrere Tage, wobei man bedenken muss, dass in Ost-Grönland nur 3000 Leute leben. In Grönland insgesamt leben derzeit 56.000 Menschen.

STOL: Was haben Sie eigentlich in Grönland gefunden, was Sie in Südtirol nicht gefunden haben?

Peroni: Das ist schwer zu erklären. Vielleicht war es Zufall, dass ich die richtigen Freunde, im richtigen Augenblick getroffen habe, die mir den richtigen Weg geebnet haben und mich in dem Augenblick gebeten haben, dort zu bleiben. Ich habe mich gebraucht gefühlt. Das war es.

STOL:
Sie waren in jungen Jahren Extremsportler. Haben Sie das mittlerweile aufgegeben?

Peroni: Ich mache immer noch jedes Jahr eine Expedition in Grönland. Es gibt vieles zu entdecken und ich habe noch viel vor. Vor drei Jahren habe ich eine klassische Grönland-Durchquerung gemacht. 2004 habe ich versucht, auf einem Hochplateau eine Bergregion zu begehen, was aber am schlechten Wetter gescheitert ist. Heuer habe ich im Frühjahr eine Inland-Begehung vor und im Herbst möchte ich den höchsten Gipfel von Grönland auf einem speziellen Weg besteigen. Dann wird es - wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit einer oder zwei italienischen Universitäten- eine anthropologische Expedition geben. Es gibt also noch viel zu tun!

STOL: Wie sehen Sie Südtirol aus der Ferne?

Peroni: Landschaftlich gesehen ist Südtirol fantastisch. Schwierigkeiten habe ich aber damit, dass alles zu eng gebaut ist. Die Südtiroler sind sehr materialistisch eingestellt, das Besitzdenken ist sehr ausgeprägt. Es geht den Südtirolern sehr gut, aber sie messen dem Materiellen zu viel Wert bei. Der Südtiroler neidet sehr stark. Es gibt eine Stammtischmentalität, die vieles sehr skeptisch beobachtet. Die Horizonte waren und sind wie unsere Berge.

STOL: Wie war Südtirol in Ihrer Jugendzeit?

Peroni: In meiner Jugend konnte ich nie Normen akzeptieren. Ich war ein Querkopf und in Südtirol war kein Raum dafür. Heute gibt es viele Südtiroler, die sich international orientieren. Dennoch merkt man das immer noch ein wenig, früher war das extrem. Für viele war ich kein anständiger Bergsteiger, weil ich durch die Sahara gewandert bin. Für viele galt eben, dass ein guter Bergsteiger Berge besteigt. Das hat mich damals sehr gestört. Ich wollte aber meinen Weg gehen.

Interview: Rupert Bertagnolli

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